Neulich im Gemeinderat
In der Gemeinderatssitzung vom 20. Mai 2021 richteten sich Mitglieder des Gemeindevorstandes an die anwesenden Bürgerinnen und Bürger. Sie sagten, dass im Gemeindevorstand „viel diskutiert und philosophiert“ werde und die Entscheidungsfindung oft alles andere als einfach sei. Das ist eine gute Geste. Aber für zeitgemäße Informationspolitik braucht es mehr.
Der Gemeindevorstand ist ein Organ der Marktgemeinde Wattens und hat sieben Mitglieder. Weitere Gemeindeorgane sind der Bürgermeister und der neunzehnköpfige Gemeinderat. Alles, was der Gemeinderat beschließt, wird vom Gemeindevorstand (in manchen Fällen auch von Ausschüssen) vorberaten und von diesem als Antrag in die Gemeinderatssitzung eingebracht. So sieht es der Paragraph 31 der Tiroler Gemeindeordnung vor. Dort steht auch, dass die Besprechungen des Gemeindevorstandes und der Ausschüsse unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden müssen (§ 48 Abs. 5). Öffentlich sind nur die Sitzungen des Gemeinderates – alle interessierten Bürger/innen können daran teilnehmen (die nächste ist am 8. Juli um 18 Uhr im Mehrzweckgebäude Oberdorf).
Nun ergibt sich in Wattens mitunter folgendes Bild: Der Gemeindevorstand bringt in eine Sitzung des Gemeinderates einen Antrag ein. Dieser nickt den Antrag in der Regel ab. Wesentliche Diskussionen beobachtet man selten.
Wenn nun im Gemeindevorstand viel diskutiert und philosophiert wird (vermutlich auch in den einzelnen Fraktionen), in der Gemeinderatssitzung aber nicht, hat die Bevölkerung so gut wie keine Möglichkeit, die Gründe einer politischen Entscheidung nachvollziehen zu können.
Diskussion nicht um jeden Preis
Es kann und soll nicht Ziel sein, jeden noch so kleinen Antrag des Gemeindevorstandes breit und ausführlich zu beleuchten. Aber selbst wenn es um weitreichende, zuweilen millionenschwere Entscheidungen geht, lässt die Diskussionskultur des Wattener Gemeinderates zu wünschen übrig.
Eine solche Praxis ist niemandem persönlich anzulasten. Vielleicht ist sie das Ergebnis der jahrzehntelangen Dominanz einer einzelnen Partei im ganzen Land, vielleicht ein Zeichen für mangelndes politisches Bewusstsein in der Gesellschaft.
Können sich Verhaltensweisen verändern? Können wir eine Sache so öffnen, dass die Politik der Bevölkerung mehr Mitsprache einräumt, die Bevölkerung diese Verantwortung auch wahrnimmt und alle Seiten Entscheidungen bewusster begehen?
Wahlkampf in Wattens
Im Wattener Wahlkampf wird das so oder so ähnlich regelmäßig angekündigt. Wahlprogramm 2016 der Liste „Für Wattens – ÖVP“: „Die Sprechblase in unserem Logo steht für Mitsprache und Austausch. Wir fördern die Zusammenarbeit mit den Bürgerinnen und Bürgern, in unserem Team und im Gemeinderat.“
Einige Jahre mehr auf dem Buckel hat das Versprechen der Liste „Gemeinsam für Wattens – SPÖ“ aus dem Jahr 2004: „Es darf nicht passieren, dass Betroffene erst aus der Presse erfahren, was in ihrem Ort geschieht. Die Bevölkerung muss die Chance haben, ihren Lebensraum mitgestalten zu können.“
Wissen teilen statt bunkern – ein Hoffnungsschimmer
Gestalten, ausbilden, sich etwas vorstellen – in seiner Definition gibt das kleine Wörtchen „Information“ ganz schön viel her. Vorstellen kann man sich in Wattens mit der gebotenen Information oft wenig. Gute Politik könnte so aussehen, dass man die Bevölkerung proaktiv, sachlich, umfassend und übersichtlich informiert. Und dass sich Bürgerinnen und Bürger solche Auskünfte nicht erst mühsam selbst erarbeiten müssen.
Es ist heute möglich, Gemeinderatssitzungen zu streamen, Konzepte in einem gut gemachten Gesprächsrahmen zu diskutieren oder das Gemeindebudget verständlich darzustellen. Immerhin: Die Gemeinde hat vor kurzem ihre Finanzdaten der Jahre 2001 bis 2020 auf der interaktiven Seite www.offenerhaushalt.at veröffentlicht. Und in der Gemeinderatssitzung vom 20. Mai wurde für den Neubau der Volksschule am Kirchplatz ein Partizipationsprozess beschlossen.
Ausweg Gemeindezeitung?
Was die Sitzungen des Gemeindevorstands angeht: Zwar steht in der Tiroler Gemeindeordnung ausdrücklich, dass sie unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden müssen. Dort steht aber nicht, dass es dem Gemeindevorstand verboten ist, die Öffentlichkeit zu informieren.
Wenn das schon nicht passiert, gibt es immer noch den Gemeinderat, der Anträge hinterfragen, Auskünfte einfordern und wichtige Informationen öffentlich bereitstellen kann. Zum Beispiel in Form einer gemeindeeigenen Zeitung, die sachlich und ausgewogen ist. Derartiges fehlt in Wattens.
Die Kunst der Informationsbeschaffung
Und so ist die Bevölkerung in ihrer Informationsbeschaffung hauptsächlich von einer Regionalzeitung und von der Gerüchteküche abhängig. Gewiss, Informationslöcher können auch über persönliches Nachfragen bei Mitgliedern des Gemeinderates gestopft werden. Das ist aber nur bedingt erfolgreich, denn eine zufriedenstellende Antwort bekommt man nicht immer. In Ermangelung einer guten Quelle greifen manche auf die Online-Plattform Bürgermeldungen zurück. Die ist aber eigentlich für das Melden von Schäden im öffentlichen Raum da, nicht für politische Diskussionen, wie es eingangs unter „Herzlich willkommen“ heißt. Entsprechende Anliegen seien an die politischen Entscheidungsträger zu richten (und das Spiel beginnt von vorne). Zuletzt bietet sich ein Blick in die Protokolle der Sitzungen des Gemeinderats an, zu finden auf der Website der Gemeinde. Das letzte veröffentlichte Protokoll stammt von Ende November 2020.
Alexander Erler, Ulli Mariacher, Bianca Klausner, Lydia Steiner, Reinhard Egger, Linda Kutter, Lukas Öfner