Es geht nicht nur ums Stadion
Wenn es einen Plan gibt, und alle diesen Plan kennen, haben alle eine Vorstellung davon, wohin die Reise geht. Einen Plan gibt es auch für das Wattener Sportgelände. Weil aber nur wenige darüber Bescheid wissen, herrscht derzeit dicke Luft. Es spießt sich am Stadion. Aber das Problem sitzt tiefer.
Die WSG Swarovski Tirol will ihre Heimspiele wieder in Wattens austragen und nicht im Innsbrucker Tivoli-Stadion. Am 19. Feber veröffentlicht sie eine Visualisierung. Sie zeigt die geplante Überdachung der Osttribüne. Darunter steht, dass „das bestehende Stadion schonend für alle minimal adaptiert“ wird.
Sechs Tage später startet der Verein eine Petition für den bundesligatauglichen Umbau des Gernot-Langes-Stadions in Wattens – wohl als Gegenpol zur negativen Stimmung, die dem Projekt schon länger entgegen schlägt, besonders in den Bürgermeldungen, wo es zu teils wütenden Kommentaren kommt.
Die Stadionfrage droht einen Keil zwischen WSG, Politik und Bevölkerung zu treiben. Wie konnte es so weit kommen?
Wo ist das Konzept geblieben?
Es ist schon merkwürdig: Für die Neugestaltung des Sportareals gibt es eigentlich ein Gesamtkonzept, das alle Fragen beantworten sollte. Der Gemeinderat hat es 2018 in Auftrag gegeben mit dem Ziel, „gemeinsam mit allen Beteiligten“ eine „für alle tragbare Vorgehensweise“ zu finden.
Doch das Gegenteil scheint eingetreten zu sein: Eine Petition setzte sich für den Erhalt der alten Leichtathletik-Anlage ein – die neue verfehlte offenbar das Ziel. Ende Dezember 2020 entdeckten Anrainer auf der Osttribüne ein Holzgebilde, das eine Dachkonstruktion andeutete. Erst auf Nachfrage war zu erfahren, dass der Stadionumbau – von Gemeindeseite bislang „kein Thema“ – nun doch im Gespräch sei. Auch von einer Multifunktionssportanlage war die Rede: Als Ersatzfläche für den Breitensport gedacht, stehen dafür seit bald drei Jahren Mittel bereit, der Standort konnte allerdings bis heute nicht geklärt werden.
Für Außenstehende ist es schwer, darin ein Gesamtkonzept zu erkennen. Warum haben es die Zuständigen nicht transparent gemacht? Viele Kommunikationsprobleme wären nie entstanden.
Menschen früher ernst nehmen
Vielen leuchtete ein, dass das Sportgelände im Falle eines Aufstiegs der WSG auf einen bundesligatauglichen Stand gebracht werden muss. Viele haben sich aber auch erwartet, dass man sie ordentlich aufklärt und informiert: Was kommt auf uns zu? Wie wird das Verkehrsproblem gelöst? Wer zahlt was? Die Verantwortlichen hätten solche Fragen und Bedenken vorausschauend angehen können. Stattdessen bekommt man den Eindruck, dass andere Sichtweisen lästig sind.
„Die zu erwartende Belastung für die direkten Anrainer des Stadions reduziert sich auf ein Minimum“, schreibt die WSG auf ihrer Facebook-Seite. Das ist die Sicht der WSG, und sie scheint auch durchaus bemüht zu sein. Was aber ist mit der Sicht der Anrainer? Bindet man sie bei einem so großen Vorhaben ausreichend ein? Und mit ihnen die vielen anderen, die es betrifft?
Das Sportgelände ist immer noch öffentlicher Grund, es dient immer noch dem Gemeinwohl. Die WSG bekommt viel Gemeindegeld, immerhin 400.000 Euro im Jahr. Auch das Gesamtkonzept, das 28.000 Euro gekostet hat, wurde zur Hälfte mit öffentlichen Mitteln bezahlt. Wenn so viel Öffentlichkeit im Spiel ist: Warum bindet man sie nicht stärker ein?
Es geht nicht darum, dass man es der WSG nicht vergönnt, ihre Spiele wieder im eigenen Ort, vor eigenem Publikum, in einem bundesligatauglichen Stadion auszutragen. Es geht darum, dass man sich als Bürgerin und Bürger in Wattens wenig ernst genommen fühlt. Wenn man laufend aus dem gemeinsamen Haus befördert wird, beginnt man eben irgendwann stärker an die Tür zu trommeln.
Nichts dem Zufall überlassen
2019 lässt Präsidentin Diana Langes-Swarovski in einem Interview durchblicken, dass es neben der Sanierung des Stadions auch „Pläne für neue Strukturen“ gebe. Anfang 2021 wird der Ton bestimmter: Trainer Thomas Silberberger sagt in einem R19-Interview, dass Heimspiele „definitiv“ wieder in Wattens ausgetragen werden sollen. Sollte das nicht möglich sein, sehe er „keine Chance für die WSG, sich zu entwickeln“.
Am 19. Feber dann der Beitrag auf der Webseite des Vereins. Er lässt vermuten, dass der Umbau bereits in trockenen Tüchern ist. Es braucht dazu wohl weder einen Gemeinderatsbeschluss noch eine Bauverhandlung, denn Sportanlagen sind von der Tiroler Bauordnung ausgenommen. Was der Bürgermeister also Ende 2020 mit: „Lassen wir es zu oder nicht?“ genau meinte, wissen wir nicht.
Zuletzt die Petition. Ein merkwürdiger Schritt: Warum eine Petition, noch dazu an die Gemeinde gerichtet, wenn es mit dem Gesamtkonzept doch eine gemeinsame Vorgehensweise gibt?
Macht das Gesamtkonzept öffentlich!
Es ist löblich, wenn es im Ort einen Fußballverein gibt, der ehrgeizige Pläne hat. Es ist legitim, wenn er alles dafür tut, um seine Ziele zu erreichen. Die Politik tut gut daran, ein solches Engagement zu unterstützen.
Politik hat aber auch die Aufgabe, in die Bevölkerung hineinzuhören, die verschiedenen Interessen abzuwägen und auszugleichen. Das Eine darf nicht gegen das Andere ausgespielt werden. Am Sportgelände haben viele Interesse: die WSG, ihre Fans, die Nachbarschaft, die anderen Vereine und NutzerInnen, die breite Öffentlichkeit. Jedes Interesse hat seine Berechtigung.
Für alle eine gute Lösung zu finden, ist keine leichte Aufgabe. Aber genau dafür sollte ein Gesamtkonzept schließlich da sein. Also, liebe Gemeindeführung: Legt das Gesamtkonzept offen! Informiert die Menschen! Gebt ihnen die Möglichkeit, Teil solch großer Entscheidungen zu werden, anstatt sie unterwegs zu verlieren!
Alexander Erler, Lydia Steiner, Linda Kutter, Ulli Mariacher, Bianca Klausner, Lukas Öfner
Bild: Wikipedia